Königin Katze

Den meisten Menschen ist bekannt, dass Katzen sehr eigenbrödlerische und individuelle Wesen sind. Vielleicht mögen manche Menschen sie gerade deshalb und tun alles dafür, dass ihre Katze ein selbstbestimmtes Leben führen kann.

So zersägen sie ihre Türen, indem sie kleine Türen in ihre großen Türen hineinbauen, oder erfinden Klappen und andere Zugangsmechanismen, damit Katze zu jeder ihr beliebten Zeit kommen und gehen kann.

Nun zumindest danken es die Katzen damit, dass sie wieder kommen, meistens jedenfalls, und das Haus mit dem für sie eingerichteten Komfort als ihr eigenes anerkennen.

Zum Komfort gehört dann natürlich noch ein stets gefüllter Fressnapf, bzw. ein stets vorhandener Ansprechpartner für den Fall, dass dem nicht so ist, oder aber auch für den Fall, dass der Inhalt des Fressnapfes nicht genehm ist.

Gern definiert die Katze auch mehrere, in der Regel mit Kuscheldecken ausgestattete Plätze im Haus als ihre, wobei die Besetzung solcher Plätze durch Menschen mit Nachdruck angeprangert wird und zwar so lange, bis Mensch sich verzieht.

Der Katzenliebhaber unterstützt alle von der Katze angemeldeten Ansprüche und bietet zusätzlich weiteren Service, immer mit dem Hintergrund einmal, auch nur einmal die Gunst der Katze für sich zu gewinnen, ihren edlen Kopf streicheln zu dürfen oder auch nur einen Blick von ihr zu erhaschen. Glücklich der, den die Katze für eine soziale Wärmebildung erwählt,auf dessen Schoß sie liegt oder dessen Füße sie umschmeichelt. Nicht einen Millimeter rührt sich derjenige über Stunden, bis die Katze der Meinung ist, dass es nun reiche,dass sie genug geschlafen hätte.

Ohne sich umzusehen löst sie sich mit einem Katzenbuckel aus der Innigkeit und spaziert davon. All das wird akzeptiert, unterstützt und mit Freude von den Liebhabern dieser adligen Geschöpfe hingenommen.

Doch eines geht auch diesen zu weit:

Als Raubtiere lieben es Katzen, trotz Futternapf mit Wahlfutter, ihrem Jagdinstinkt nachzugehen. Sie lieben es insbesondere Mäusen und Vögeln nachzuspüren und an ihnen ihre beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten als Jäger und Sammler zu trainieren

Da sie keinerlei Beschränkungen beim Zutritt in ihr Eigenheim unterliegen, bringen sie des Öfteren Besuch mit. Der Zustand der Besucher definiert sich als tod, lebend, halbtod oder halblebend. Da die Katze oftmals nach einer Weile keine Lust mehr hat, sich um ihre Besucher zu kümmern, müssen das nun die Menschen übernehmen. In der Regel ist dies mit einer zwiespältigen Veränderung der Gefühlswelt gegenüber der Katze verbunden. Ein seelischer Konflikt wird erzeugt. Die bedingungslose Liebe zur Hoheit erhält Ekelrisse, Risse die durch die Beseitigung von arg zugerichteten Leichenteilen entstehen oder auch Risse der Verzweiflung, wenn noch lebende Besucher nicht gefangen werden können.

Spätestens aber, wenn alle von der Katze geladenen Besucher auf die eine oder andere Weise wieder das Haus verlassen haben, sind die Risse in der Hingabe zur Katze wieder geschlossen.

Hin und wieder kommt es bei diesen Vorfällen auch zu erstaunlichen und spannenden Ereignissen. So bei Lucky, die ihr Haus mit einem Ehepaar in Altenberg teilt:

 

Letztere hat alle oben beschriebenen Privilegien in ihrem Eigenheim. Einer ihrer Kuschelplätze befindet sich im Wohnzimmer der Oma. Eines Tages  stellte Hilde beim Vorbeigehen an der Omatür fest, dass es merkwürdig piepste oder quitschte.

Die Oma selbst saß in ihrem Sessel in eben jenem Zimmer aus dem es piepste, hörte aber offenbar nichts, da sie auf Edelgards diesbezügliche Frage mit Unverständnis antwortete. Hilde hörte es aber weiter piepsen und gestattete sich einen Rundblick durch das Omawohnzimmer. Und ja, dort auf dem Fensterbrett saß ein Vogel

Hilde kombinierte sofort, dass es nicht die Oma gewesen war, die einen Vogel zum Tee eingeladen hatte. Es musste Ihre Hoheit Lucky gewesen sein, die den Vogel zu einem Zwangsbesuch bei der Oma verpflichtet hatte, nur dass die Oma davon nichts mitbekommen hatte.

Was war zu tun? Der Hermann musste her. "Hermann fang den Vogel ! " Hermann, der Fänger der Verirrten, eilte herbei und sammelte den Vogel vom Fensterbrett.

Der Zustand des vermutlichen jungen Spätzchens war lebend, dem Tode entkommen. Es wies kleinere Verletzungen und Rupfungen auf.

Behutsam wurde es anschließend von Hilde und Hermann in den Garten und dort in eines der Körbchen in einer Tanne gebracht welche in Mannshöhe angehängt waren, in der Hoffnung, dass seine Hoheit Lucky es dort nicht finden würde.

 

Was weiter geschah bleibt uns verborgen. Aber 2 Tage später nahmen neue Ereignisse ihren Lauf.

Offensichtlich hatte Lucky eine innigere Beziehung zu ihrem Jungspatzen aufgebaut, denn sie hatte ihn wieder eingeladen. Diesmal in das Wohnzimmer von Hilde und Hermann, welches weit größere Ausmaße hat, als das der Oma.

Dort hatte es wohl bereits eine Weile um Aufmerksamkeit gebuhlt, denn einige Überreste vergangener Nahrungsaufnahmen waren im Wohnzimmer verteilt. Hoheit Lucky war wiederum nicht in der Nähe um die Betreuung ihres Gastes zu übernehmen.

Hermann und Hilde baten den Gast mit freundlich gemeinten Gesten des Fenster- und Türenöffnens das Haus zu verlassen. Während sie noch diverse Putzhilfen holten, war das junge Spätzlein offensichtlich geflogen, denn es ward nicht mehr zu sehen. Vorsichtshalber wurde die Couch abgerückt, hinter der sich aber nur die Überreste diverser Mahlzeiten von Enkelkindern befanden.

OK. der Vogel war weg. Es könnte gleich mal gesaugt werden. Der Staubsauger stand bereit, Hermann verließ das Wohnzimmer erneut, um eine Düse zu holen. Bei seiner Rückkehr saß ein kleiner zerzauster Spatz auf dem Staubsauger und schaute ihn frech und unerschrocken an.

Ein Foto, dachte Hermann und fotografierte den stolzen kleinen Besucher, wie er völlig angstfrei auf dem Staubsauger tronte. Nun wollten aber beide, Hilde und Hermann die Besuchszeit des Gastes beenden. Denn eine Hauskönigin war wohl genug.